Was bedeutet eigentlich größeninklusive Mode?
Den Begriff Plus Size kennen die meisten und wenn ich jemandem erzähle, dass ich bei Call me Bina Plus-Size-Mode mache, ist es klar.
Wenn ich jedoch sage, dass ich größeninklusive oder size inclusive Mode anbiete, ist das in neun von zehn Fällen erklärungsbedürftig.
Oft werden die Begriffe Plus Size und Size Inclusive auch gleichgestellt oder miteinander verwechselt. Tatsächlich stecken aber bei Größeninklusion etwas andere Gedanken dahinter.
Plus Size als Abgrenzung zur Standard Size
Die Standardgrößen enthalten die Größen S bis L, also etwa bis Größe 40. Die meisten Mode-Brands produzieren ihr Angebot bis Größe L. Plus Size beginnt ab Konfektionsgröße 42/44, was bedeutet, dass diese Kund*innengruppe bei den meisten Brands keine passende Kleidung einkaufen kann. Plus Size wird künstlich von der Standard Size getrennt. Vermittelt wird damit: "Ihr gehört nicht zum Standard!
Wenn man bedenkt, dass gemäß einer Verbraucher-Analyse ein Drittel aller Frauen in Deutschland Kleidergröße 44 plus tragen, ist es umso unverständlicher, warum Brands diese beachtliche Zielgruppe von vornherein ausschließen.
Plus-Size-Kleidung kann man im unteren Bereich etwa bis Größe 44, manchmal noch 46 mit viel Glück hin und wieder im Einzelhandel zwischen den Teilen der Standardgrößen finden. Aber wer finden möchte, muss suchen (wollen). So wird der Kleiderkauf eine frustrierende Angelegenheit und Sprüche vom Verkaufspersonal wie, “vielleicht finden Sie ja in der Schwangerschafts-Abteilgung etwas”, “schauen Sie doch mal drüben bei den Männersachen”, oder “in Ihrer Größe haben wir hier nichts”, sind eher Alltag als die Ausnahme.
Wir sprechen hier von einem Drittel der potentiellen Kundschaft für die keine passende Ware angeboten wird, deren Geld anscheinend keiner haben möchte. Dieses Drittel wird als abseits vom Standard betrachtet, als die Ausnahme. Aber kann man bei so einem großen Kund*innensegment wirklich von einer Ausnahme sprechen?
Darum geht es bei Größeninklusion
Wenn sich eine Brand dazu entscheidet, size inclusive zu arbeiten, bedenkt sie alle Größen mit. Das Ziel ist, dass alle Personen passende Kleidung finden können, die ihnen gefällt, egal welche Konfektionsgröße sie tragen. Bei größeninklusiver Mode gibt es keine Trennung zwischen Standardgröße und sogenannter "Übergröße". Alle Teile der Kollektion sind in allen Größen verfügbar und sehen gleich aus.
“Alle Größen” und “gleich aussehen”. Das sind zwei ganz wichtige Punkte. Denn erstens bieten Mode-Brands “Plus-Size-Kollektionen” an, die dann doch nur bis Größe 44/46 gehen. Michaela Leitz nennt das in ihrem Artikel zum Thema Größeninklusion “Curvewashing”. Brands schmücken sich also mit den Begriffen Plus Size oder Curvy, um auch auf den Zug aufspringen zu können und Aufmerksamkeit von Plus-Size-Kund*innen zu bekommen. Sie haben am Ende aber doch nicht alle Größen mitgedacht. Der zweite Punkt ist, dass die Teile der Plus-Size-Kollektionen oft anders aussehen, als die Teile aus der Standardkollektion. Dabei möchte ich mit einer größeren Größe genau dieselben Teile kaufen und tragen, wie sie in kleinen Größen verfügbar sind.
Passform bei größeninklusiver Mode
Bei einem größeninklusiven Design gibt es daher dieselben Teile einer Kollektion für alle Konfektionsgrößen. Im Idealfall optimiert für die jeweilige Konfektionsgröße, das bedeutet, Teile einer Kollektion können je nach Größe auf Besonderheiten angepasst im Schnitt mitgedacht werden. Bei Jeans gibt es hierzu ein gutes Beispiel, welches ich in einem Beitrag von Dawn Denim gelesen habe. Die Größe und Positionierung der Gesäßtasche ist bei einer Jeans ein sehr wichtiges Stilmittel. Wenn diese in den verschiedenen Größen nicht korrekt platziert ist, leidet der Look.
Die Passform ist bei größeninklusiver Mode eine Herausforderung. Wenn ein neues Teil einer Kollektion an einem Standard-Fitting-Model mit Größe 34 konzipiert wird, und dann hochgradiert wird, also linear in die größeren Größen hochgerechnet wird, kann das für size inclusive Mode nicht funktionieren. Denn ein typischer Model-Körper in Größe 34 ist viel weniger dreidimensional als ein durchschnittlicher Körper in Größe 48. Menschen nehmen an ganz unterschiedlichen Stellen unterschiedlich viel zu. Manche eher am Po, andere eher am Bauch, usw. Ein Körper in Größe 48 ist daher viel dreidimensionaler als in Größe 34 und hat andere Ansprüche an ein Schnittdesgin.
Wenn eine Hose für einen Körper mit flachem Bauch konzipiert ist, mag diese Hose nach dem Gradieren in der größeren Größe vielleicht an den Beinen schon passen, man bekommt aber mit einem runderen Bauch den Reißverschluss nicht zu, wenn an den bei der Schnittkonstruktion nicht gedacht wurde.
Der Stil von Call me Bina ist locker geschnittene, zeit- und alterslose Kleidung. Die lockeren Schnitte machen das size inclusive Design etwas weniger komplex. Ich bin mir bewusst, dass es keine allgemeingültige Lösung sein kann, nur locker geschnittene Kleidung größeninklusiv anzubieten, denn nicht allen gefällt dieser Style. Wenn körpernahe / eng geschnittenere Kleidung konzipiert wird, wollen die unterschiedlichen Körperformen berücksichtigt werden, darüber werde ich in einem der nächsten Artikel sprechen.
War euch der Unterschied zwischen Plus und Size Inclusive bewusst? Kanntet ihr den Begriff Size Inclusive überhaupt? Wie sind eure Meinung und Erfahrungen damit? Kommentiert gerne, ich freue mich über euren Input.